SAP ECC-Anwender kennen die Geschichte nun schon zu genüge. Mit SAP S/4HANA ist der Produktnachfolger für SAP ECC schon definiert und SAP gibt seinen Kunden bis 2027 Zeit, den Umstieg zu gestalten. Aber was bedeutet das für den Lizenzvertrag?
Neben der Entscheidung für eine Neuimplementierung (Greenfield) oder für einen eher technisch orientierten Umstieg im Upgrade-Style (Brownfield/Systemconversion), stellen sich SAP-Kunden auch früher oder später die Frage nach den daraus resultierenden Vorarbeiten sowie nach den Auswirkungen und benötigten Änderungen und Aktivitäten zum Lizenzvertrag.
Die gute Nachricht hierbei ist, dass die Diskussion rund um die Lizenzen getrennt von der Entscheidung über den technischen Ansatz für den Umstieg behandelt werden kann. Jedoch hat auch das Thema Lizenzen seine eigenen Herausforderungen und jeder SAP-Kunde sollte sorgfältig abwägen, welche der zwei verfügbaren Optionen den SAP-Vertrag SAP S/4HANA ready zu machen im individuellen Fall die sinnvollere wäre.
Die beiden Optionen, die zur Verfügung stehen werden seitens SAP als Product Conversion und als Contract- Conversion bezeichnet. Schauen wir uns für ein besseres Verständnis zuerst die Charakteristika und Eckdaten der beiden Varianten an:
Option 1: Product Conversion
Diese Variante beinhaltet die Möglichkeit, den bestehenden Vertrag in großen Teilen so zu belassen, wie er heute unter SAP ECC vorliegt und diesen über den Zukauf von zwei Lizenzkomponenten SAP S/4HANA ready zu machen.
SAP HANA, runtime edition for applications & SAP BW – New/Subsequent (alternativ Full-Use)
Die SAP HANA DB lizenzseitig zu erwerben ist Grundvoraussetzung. Viele Kunden nutzen hierfür die Runtime-Edition, deren Preis sich über den heutigen Softwareanwendungswert der SAP-Lizenzen exkl. der Kosten für die AnyDB (z.B. Oracle, MS-SQL, DB/2 etc.) berechnet. Konkret ergeben 15 % des bisherigen Softwareanwendungswerts (exkl. der bisherigen Datenbank) den Preis hierfür.
Die HANA Full-use Lizenz wird, besonders im Mittelstand, nur von wenigen Kunden benötigt.
Es gilt allerdings zu beachten, dass die bisherige Datenbank auch technisch durch SAP HANA abgelöst werden muss, um zu vermeiden, die Wartung für diese nicht zusätzlich zur Wartung von SAP HANA an SAP entrichten zu müssen.
SAP S/4HANA Enterprise Management for ERP customers (Flat Fee)
Mit einer Einmalzahlung, einer Flat Fee, über 9.000 € erwirbt der SAP ECC-Kunde das Nutzungsrecht für SAP S/4HANA auf Basis seiner bestehenden ECC-Lizenzen. Insbesondere ECC-User-Lizenzen behalten ihre Gültigkeit für SAP S/4HANA. Lediglich sogenannte Engines müssen zusätzlich erworben werden. Dabei handelt es sich um LoB (Lines of Business) und Industry Solutions von SAP S/4HANA wie z.B. Cash Management, Advanced Available-to-Promise (aATP) oder weitere, welche nicht Bestandteil des SAP S/4HANA Core sind.
Wenn der Kunde bereits die Vorgängerversion der SAP S/4HANA Engine besitzt, kann diese ggfs. teilweise auf den Kauf der neuen Lösung angerechnet werden. Beispiele hierzu sind z. B. das alte SAP APO PP/DS mit der Lösung SAP S/4HANA Manufacturing for Planning and Scheduling, welche die Möglichkeiten der HANA-Technologie in der neuen Version voll ausschöpft.
Des Weiteren ist zu beachten, dass es eine Reihe von klassischen Lösungen gibt, die auch weiter unter SAP S/4HANA betrieben werden können und die auch erst einmal kostenneutral auf SAP S/4HANA übernommen werden können.
Welche Lösungen dies betrifft, ist in der Compatibility Scope Matrix for SAP S/4HANA im SAP Hinweis 2269324 beschrieben.
Aber Achtung!
Die hier aufgeführten Lösungen aus der SAP ECC-Welt können maximal bis 31.12.2025 zum unter SAP S/4HANA weitergenutzt werden. Die Wartungsverlängerung für ECC bis 2027 hat hierbei nichts mit dem Nutzungsrecht für Compatibility Packs zu tun. Compatibility Pack Nutzungsrechte für den Einsatz unter S/4HANA enden definitiv am 31.12.2025.
Es gilt also für jeden Kunden zu prüfen, inwieweit die benötigte Lösung bereits einen technologischen Nachfolger innerhalb von SAP S/4HANA hat und wann dieser eingeführt werden kann. Wenn der Nachfolger noch nicht feststeht, dann gilt es, sich regelmäßig über die Roadmap und Entwicklungen der SAP zu dieser Komponente auf dem Laufenden zu halten.
Option 2: Contract Conversion
Diese Variante stellt eine einmalige Chance dar, den SAP-Lizenzvertrag komplett neu zu ordnen und diesen bedarfsgerecht für die Zukunft auszurichten. Häufig sind es bewegte Firmenhistorien mit Veränderungen in der Firmenstruktur, wie z. B. Unternehmenszukäufe, Aufsplittungen, Unternehmensverkäufe oder einfach nur Umstrukturierungen sowie allgemeine Strategiewechsel, die dazu führen, dass einst gekaufte Software-Lizenzen nicht mehr oder ggfs. nur teilweise benötigt werden.
So kommt es womöglich zu Überlizenzierungen bei teuren Professional Usern oder mit teilweise oder gar nicht mehr eingesetzten Engines, die trotzdem in der Softwarewartung berücksichtigt werden und somit unnötige Kosten verursachen.
Die Software bei SAP stillzulegen, um diese Wartungskosten einzusparen, ist auch nicht immer möglich. Und wenn, dann nur in der Form, dass die Software für den Kunden entweder gar nicht mehr aktivierbar ist oder im Falle einer Re-Aktivierung Wartungskosten auch für die Zeit der Nicht-Nutzung bezahlt werden müssen.
Dass man Softwarelizenzen nun mal nicht einfach an SAP zurückgeben oder mit anderer tauschen kann, ist ein Umstand, den viele Kunden bisher als bittere Pille einfach geschluckt haben. Die Contract Conversion ist die einmalige Chance, diesen Ballast endlich abzuschütteln und den Softwareinvest der letzten Jahre in echten Mehrwert zu verwandeln.
Hier definiert der Kunde die Lizenzen so, als ob er SAP gerade neu einführen würde und erstellt eine BOM (Bill of Material), die mittel- und langfristig zu ihm passt. Nach Abschluss dieser Übung werden die Kosten für die individuell zusammengestellten Lizenzen mit dem bisherigen Lizenzwert verrechnet und bezahlt wird nur das Delta zwischen dem Preis für die SAP S/4HANA-Lizenzen und dem gewährten Credit (bis zu 100%) für den bisherigen Lizenzbestand.
Was oftmals nicht ausreichend erläutert wird, ist die Tatsache, dass der aktuelle Softwareanwendungswert für eine Genehmigung der Contract Conversion durch SAP um ca. 11-12 % steigen muss. Trotzdem kann diese Variante gegenüber dem einfachen Zukauf der Engines zusätzlich zum Altvertrag ohne Anrechnungen helfen, Kosten zu sparen. Beispielsweise lassen sich geplante Zukäufe von Lizenzen in der Contract Conversion durch die Anrechnung der Credits aus dem bisherigen Lizenzbestand um einiges günstiger darstellen.
Hier ein Beispiel, um dies zu verdeutlichen:
In unserem Beispielfall hat der Kunde bisher hauptsächlich die mit den User-Lizenzen enthaltenen Kernfunktionalitäten von SAP genutzt – neben der kürzlich eingeführten Lösung zur ATP-Prüfung, auch als Verfügbarkeitsprüfung bezeichnet. Letztere ist eine interne Online-Suche, die sicherstellen soll, dass das Unternehmen das gewünschte Produkt zum gewünschten Zeitpunkt in der vom Kunden gewünschten Menge liefert.
Im Rahmen der Diskussion rund um die Zukunft mit SAP S/4HANA wurde außerdem beschlossen, dass ein externes Finanz-Konsolidierungstool, sowie eine Third-Party-Softwarelösung für die Feinplanung in der Logistik durch SAP S/4HANA ersetzt werden soll. Darüber hinaus sollen papierbasierte Arbeitsanweisungen im Shop-Floor zukünftig auch digital durchgeführt und abgeschlossen werden, um diesen Prozess zu digitalisieren.
Hierfür sollen die benötigten SAP S/4HANA-Lösungen, die in diesem Fall zusätzlich lizenzpflichtig sind, eingeführt und erworben werden.
Des Weiteren soll die historisch gewachsene Aufteilung der SAP-User auf die tatsächliche Nutzung beleuchtet und über die Contract Conversion eine Neuverteilung auf die verschiedenen User-Kategorien, soweit möglich, umgesetzt werden.
Das Ergebnis dieser Vorüberlegungen führt zu folgender Lizenzliste:
Somit sind für das komplette Lizenzpaket inkl. allen Erweiterungen noch 144.100,– € zu entrichten und der Altvertrag könnte im Sinne von SAP S/4HANA und der zukünftigen Anforderungen neu gestaltet werden.
Wäre im vorliegenden Fall die Umstellung über die Product Conversion erfolgt, in der ebenso alle Erweiterungen miteingeschlossen sind, dann wäre der einmalige Invest (exkl. der HANA DB) wie folgt:
Somit hätte durch eine Umstrukturierung der User-Lizenzen nach dem tatsächlichen Bedarf in der Contract-Conversion eine Ersparnis von 184.900 € gegenüber der Product Conversion erzielt werden können, welche die mit SAP S/4HANA eingeplanten funktionalen Erweiterungen einschließt.
Nun werden sich viele die Frage stellen: „Wie komme ich zu der neuen Liste für die Lizenzen und dem, was ich wirklich benötige?“
Wege, um die wirklich benötigten Lizenzen zu definieren, sind vielfältig. Ein zentraler Punkt bei jeder SAP-Lizenzierung ist die Anzahl und Aufteilung der User auf die verschiedenen User-Kategorien, die lizenzseitig angeboten werden.
Um die Verteilung der User auf die drei neuen SAP S/4HANA User-Kategorien (Professional, Productivity, Functional) nach der tatsächlich benötigten Nutzung sauber vornehmen zu können, muss intern die benötigte Nutzung des Systems mit den Möglichkeiten der User-Kategorien abgeglichen werden.
SAP stellt außerdem eine unverbindliche Guideline zur Verfügung, in der die klassischen User-Lizenzen auf die neuen Produkte gemappt werden. Die finale Zuordnung richtet sich nach den benötigten Rechten aus der Preis- und Konditionenliste.
Einen Aufschluss über benötigte SAP S/4HANA Engines bzw. LoB-Lösungen gibt einerseits der Blick auf die aktuelle Lizenzlandschaft, in der für viele klassische Engines das neue Pendant in SAP S/4HANA aufgelistet ist (z.B. Global ATP in ECC und Advanced ATP in SAP S/4HANA), andererseits die Ergebnisse einer sorgfältig ausgearbeiteten SAP S/4HANA Roadmap. Letztere gibt den Überblick, welche heute noch nicht genutzte Funktionen und Innovationen zukünftig mit dem ERP-System und zusätzlichen Satelliten-Systemen (z. B. aus der Cloud) abgedeckt werden sollen.
Ein kostenloses Tool, das hier zum Einsatz kommen kann, ist der SAP-Transformation Navigator, der anhand der heutigen Systemlandschaft die benötigten Produkte für die Zukunft vorschlägt und auch für zusätzlich gewünschte Funktionen auf das passende SAP-Produkt und die benötigte Lizenz hinweist. Dabei wird auch die grundsätzliche Strategie des Kunden bzgl. Cloud- vs. OnPrem-Lösungen mitberücksichtigt.
Wie und wann sollten Sie das Thema angehen?
Das Thema SAP-Lizenzen gehört in die Erarbeitung jeder SAP S/4HANA Roadmap!
Nicht zuletzt deshalb, weil es eine zentrale Kostenkomponente der Transformation nach SAP S/4HANA ist.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass eine gründliche Abwägung bei der Auswahl der richtigen Lizenz-Conversion nicht nur potentiell Kosten einsparen kann sondern auch die Nutzung der SAP Software deutlich optimieren kann.
Welche Lösung für Sie jedoch die bessere ist muss sorgfältig erarbeitet werden. Dazu kann Sie Nagarro Allgeier ES gemeinsam mit SAP individuell beraten.
Wir empfehlen hierzu das SAP Adoption Starter Engagement, in dem in einem virtuellen Gruppenverband innerhalb von 6 Wochen gemeinsam mit SAP und Nagarro Allgeier ES Ihre individuelle Roadmap erarbeitet wird, und in dem ein klares Bild über Ihre zukünftige Systemlandschaft sowie die benötigten Zusatzfunktionen und Innovationen entsteht.
Wir freuen uns auf die Gespräche mit Ihnen!